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Dies & Das Gedankenwelt

Alles eine Frage der Perspektive

Es ist was es ist sagt die Liebe

«Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe.»
(Erich Fried)

Wenn ich übers Fremdgehen nachdenken, bin ich wütend

Wenn ich übers Fremdgehen nachdenke, nehme ich eher die Positionen der Vernunft, des Stolzes, der Vorsicht und der Erfahrung ein. Ich kann wenig Gutes darin sehen, wenn ein Mensch einen anderen belügt und betrügt. Es fällt mir schwer, nachzuvollziehen, was diese Menschen antreibt. Zumindest wenn ich selbst betroffen bin. Beruflich ist das anders. Es fällt mir leicht, mich in diese Situationen hineinversetzen. Ich kann den Schmerz und die Unentschlossenheit nachvollziehen, oder auch die Freude und die Freiheit, die manch einer empfindet. Es steht mir nicht zu, meine Klienten zu bewerten. Ich hatte zeitweise auch großes Mitgefühl mit meinem Mann. Die Betonung liegt aber auf zeitweise. Ich bin seine Partnerin, nicht sein Coach. Und in der Rolle der Partnerin wollte ich nicht verständnisvoll sein. Ich war verletzt und ich wollte wütend sein. Am Ende war es aber wie in diesem Gedicht. „Es ist was es ist“ Was auch immer es ist.

Es war das Gesamtpaket. Es war nicht nur Sex

Erst kürzlich hatten wir nach langer Zeit mal wieder darüber gesprochen, warum seine Geliebte sich so lange das alles hat mit sich machen lassen. Oder anders formuliert, warum er so lange an ihr festgehalten hat. Für mich gibt es da nur einen Grund: der Sex muss richtig gut gewesen sein. Er verteidigt sich und die Trulla dann immer mit: „Es war das Gesamtpaket. Es war nicht nur Sex.“ Das macht es natürlich gleich viel besser. Aber an diesem Punkt bleibe ich stur. Wenn es das Gesamtpaket gewesen wäre, wieso hat er sich dann nicht für sie entschieden? Wieso war es ihm unangenehm, sich mit ihr zu zeigen? Nur weil er nicht auffliegen wollte? Weil ich ihm so wichtig war? Blödsinn. Eine Frau, die als Gesamtpaket großartig ist, wird nicht versteckt. Die will man doch zeigen. Also was ist es dann?

Üblicherweise kommen jetzt Standardausreden. Angefangen bei „es geht nicht wegen der Kinder“ über „wie sind schon so lange zusammen, uns verbindet so vieles“ bis hin zu „es geht nicht, weil ich das meiner Frau nicht zumuten kann“. Bla bla bla. Am Ende geht er nicht, weil er nicht gehen will. Und wenn er nicht gehen will, aber trotzdem bei der Geliebten bleibt, was hält ihn dann? Ihr Humor? Ihre charmante Art? Ihre Bildung? Das mag ja alles zutreffen, aber meistens treffen sich die beiden ja nicht, um ins Museen zu gehen oder zu philosophieren. Ich stelle mit vor, wie sich die Geliebte aufbretzelt, um möglichst attraktiv zu sein, sich von der besten Seite zeigend, Probleme werden an die Seite geschoben, nur um ihm zu gefallen. Würde ich vermutlich auch so machen, wenn ich ihn nur alle Schaltjahre zu Gesicht bekomme. Sie wird versuchen ihm all das zu bieten, von dem sie glaubt, dass er das zu Hause so nicht bekommt. Und dann? Landen die beiden im Bett, quatschen noch ein wenig und schon ist die wundervolle Zeit vorbei und er muss wieder los. Was genau war jetzt noch mal das Wichtigste?

Sei wenigstens ehrlich zu dir selbst

Wenn mich etwas echt wütend macht, dann sind das Menschen, die sich selbst was in die Tasche lügen und mich für dumm verkaufen wollen. Wie anmaßend werden jetzt einige sagen. Woher nimmt sie das Recht zu wissen, was ihn an dieser Frau fasziniert hat. Das kann ich leicht beantworten. Die Art und Weise wie er von ihr erzählt und was er sagt.

Habt ihr schon mal genau hingehört, wenn Paare gemeinsame Geschichten erzählen? Dabei kommt es nicht darauf an, was erzählt wird, sondern wie und wie die beiden interagieren, wenn sie erzählen. Übrigens kann man laut Gottman mit 94-prozentiger Wahrscheinlichkeit allein aus der Geschichte vorhersagen, welche Paare drei Jahre später noch zusammen sein würden und welche nicht. John Gottman, ist so etwas wie der Papst des Beziehungsglücks. Nicht nur, weil er ein guter Beobachter ist – sondern auch, weil der Wissenschaftler in scheinbar nebensächlichen Details des Alltags die Aspekte erkennt, die für den Verlauf von Beziehungen größte Relevanz haben. Paare, die sich später trennen, so Gottman, machen weniger liebevolle Bemerkungen über den Partner und seine Eigenarten in ihren Geschichten, dafür mehr negative. Außerdem banalisieren sie die Kennenlern-Geschichte eher, verheddern sich häufiger in der Erzählung oder widersprechen einander. Auch reden sie seltener von „uns“ als von „mir“ und „dir“. Paare, die zusammenbleiben, haben ihre Geschichten dagegen viel häufiger glorifiziert, idealisieren den Partner beim Reden und Erzählen die Geschichte übereinstimmend und mit einem starken Wir-Gefühl.[1]

Wenn mein Mann von dieser Frau erzählt hat, beschrieb er sie als jemanden, der gerne lacht und schnell Kontakt findet. Wenn er mit ihr ausgegangen ist, war sie ihm jedoch peinlich, weil sie von jedem Kerl angequatscht wurde und das auch zuließ. Auf der einen Seite mochte er die gesellige Art und auf der anderen Seite verurteilte er sie. Am Ende war für ihn klar, dass diese Frau nie und nimmer eine Partnerin sein könnte. So, und warum genau, hat das dann doch die Jahre gehalten? Doch sicher nicht, weil sie so gesellig war. Also das Gesamtpaket kann er sich getrost sonst wohin stecken. Ob es der Sex war? Keine Ahnung. Darüber spricht er nicht. So genau will ich es auch gar nicht wissen. Am Ende ist es was es ist.

[1] vgl. Die Vermessung der Liebe, John Gottmann, Klett-Cotta und
https://www.welt.de/print/wams/wissen/article144181516/Wie-begann-Ihre-Liebe.html, „Wie begann Ihre Liebe?, Fanny Jiménez, Welt, aufgerufen am 13.03.2023

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Dies & Das Gedankenwelt

Warum hast du ihn zurückgenommen?

Zurückgenommen? Wann habe ich ihn weggegeben?

Warum hast du ihn zurückgenommen? Interessante Frage. Während ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich darauf so schnell gar nicht antworten kann. Ich kaue auf diesem Wort zurücknehmen rum? Wenn ich jemanden zurücknehme, hätte ich ihn ja zuvor weggegeben. Ich habe meinen Mann aber nicht weggegeben. Nicht willentlich und schon gar nicht wissentlich. Das hat er schon ganz allein entschieden. Oder um seine Worte zu zitieren: es ist passiert. Zurücknehmen ist aus auch kein Wort, das ich in Verbindung mit Beziehung bringen würde. Aus meiner Sicht entscheiden sich Menschen füreinander. Sie nehmen sich nicht einfach. Außer die Schwaben vielleicht, denn deren Liebeberklärung lautet „dann nemm I di halt“ 😊 Scherz.

 

Was ist die Frage hinter der Frage?

Was ist eigentlich die Frage hinter der Frage? Und jetzt muss ich grinsen. Denn dann ist nicht mehr die Frage selbst relevant, sondern diejenigen, die die Frage stellen. Gerade beim Thema fremdgehen, hatten und haben wir immer das Gefühl, dass es mehr um die anderen, weniger um uns ging. Jeder gut gemeinte Rat, jede Form der Fragestellung verriet uns mehr über das Wertesystem derjenigen, mit denen wir gerade sprachen.

 

 

Eine Geliebte beispielweise regte sich darüber auf, dass ihr Lover gerade mit der Familie in Urlaub sei. Warum machen die Ehefrauen das überhaupt mit, fragte sie sich? Und warum nehmen so viele ihre fremdgehenden Männer zurück? Steckt dahinter nicht viel mehr die Frage, warum er mit der Ehefrau und nicht mir ihr in den Urlaub fährt und warum er nicht endlich Schluss macht? Wie kann FRAU so einen Arsch überhaupt noch akzeptieren? Hm. Aber genau dieser Arsch ist für diese Geliebte der Traummann. Wieso nimmt die Geliebte den Kerl immer wieder zurück, wäre eine adäquate Gegenfrage.

 

Oder die Kollegin, die nicht nur fragt, warum ich meinen Mann zurücknehme, sondern auch noch wissen will, wo denn mein Stolz bliebe. Was hat denn Stolz damit zu tun?

 

 

Der Architekt hat Türen vorgesehen, die man von außen schließen kann

Ich habe meinen Mann nicht zurückgenommen. Im Gegenteil. Ich habe ihn, nachdem er mir verkündet hatte, er wäre in diese andere Frau verliebt, rausgeschmissen. Nicht jede würde das machen, das weiß ich. Ich habe es getan, weil er sich sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: für sie, gegen mich. Da brauchte ich nicht lange zu überlegen. Der Architekt hat für solche Fälle Türen vorgesehen, die man von außen schließen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob ich meinen Mann vor die Tür gesetzt hätte, wenn er Zweifel gehabt hätte. Vermutlich hätten wir dann versucht eine Lösung zu finden, um unsere Beziehung zu retten. Wollte er aber nicht. Also raus mir ihm.

 

Er ging und kam wieder. Aber zurück genommen habe ich ihn nicht. Wir haben uns auf neutralem Boden getroffen, um zu prüfen, ob es Sinn macht, wieder zusammen zu kommen. Ein Neustart quasi. Nur ohne verliebt sein und Schmetterlinge im Bauch. Eher mit viel Tränen, Schmerz und Enttäuschungen. Wenn wir einfach da weitergemacht hätten, wo wir aufgehört haben, wären wir ratzfatz in der gleichen Dynamik gelandet und die mündete ja bekanntermaßen im Super-Gau.

Ich weiß aber von Paaren, die einfach wieder zur Tagesordnung übergehen. Da wird hoch und heilig versprochen, dass man nie wieder so einen Scheiss machen würde und von jetzt an alles besser werden wird. Aha, denke ich da nur und muss diesen wütenden Geliebten Recht geben. Warum soll jetzt plötzlich alles gut sein? Nur weil man sich selbst einredet, es sei ein Ausrutscher gewesen? Ausrutschen. Wenn ich das schon höre. Das klingt genauso bescheuert wie „es ist passiert“. Wo bleibt da die Eigenverantwortung?

 

Manche Menschen wollen belogen werden

Manche Menschen wollen belogen werden, das habe ich im Laufe meines Berufslebens gelernt. Ich war immer wieder sprachlos, was Menschen alles zu glauben gewillt sind. Warum sollte das im Privatleben anders ein. In einem Interview von ZeitWissen mit Prof Robert Feldmann ist dies sogar bestätigt. Auf die Frage, warum wir so viel lügen, sagt Feldmann, dass Lügen der Schmierstoff der Kommunikation sei. Die Menschen wollen oftmals nicht die Wahrheit hören, sondern etwas, mit dem sie sich gut fühlen.[1]

 

Manchmal haben wir vor der Wahrheit sogar mehr Angst als vor der Lüge. Als fragen wir erst gar nicht. Interessante Phänomen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum das Umfeld Fragen stellt wie: „Warum hast du ihn zurückgenommen?“

 

Selbsttäuschung macht das Leben schöner

Als ich erfuhr, dass mein Mann mich drei Jahre lang betrogen hat, zweifelte ich an mir und meiner Menschenkenntnis. Wie konnte ich das übersehen und was habe ich in der Zeit noch alles übersehen. Woran hätte ich es erkennen können, fragte ich mich und ging auf die Suche. Ich fand unzählige Artikel und Bücher zum Thema Lügen erkennen. „Wie finde ich heraus, dass er mich belügt?“ oder „Sichere Anzeichen für eine Lüge“ sind nur einige der Begriffe, die in Google hohe sechsstellige Trefferquoten auswerfen. Ich fand aber auch Artikel und Bücher zu „Selbsttäuschung.“ Wie gesagt, wir lieben es uns selbst zu belügen. Und ich gehörte wohl dazu. Ich wollte nicht sehen, was offensichtlich war. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass ich nicht noch eine Baustelle in meinem Leben aufmachen wollte. Also habe ich die Augen verschlossen und so getan, als würde ich nicht merken, dass mein Kerl grad völlig abdreht. Mit dem Ergebnis, dass er Menschen verletzt und schlecht behandelt hat. Nicht nur mich, auch sich selbst und nicht zuletzt seine Geliebte. Selbsttäuschung macht das Leben also schöner. Du befreist dich von Schuld, Schmerz, Fehlern und all den negativen Seiten deiner Persönlichkeit und am Ende sind dann die anderen schuld – oder es waren unglückliche Umstände.

 

Für mich beinhaltet die Frage nach dem zurücknehmen vielmehr Unverständnis für meine Entscheidung, als wirkliches Interesse. Es schwingt ein „ich hätte anders entschieden“ mit. Aber ich bin ich und du bist du. Mein Leben, meine Entscheidung. Und wie du entschieden hättest oder entscheiden würdest, ist für meine Entscheidung nicht relevant. Ich verstehe aber deine Sorge hinter der Frage.

 

 

 

[1] ZeitOnline, Lügner sind sympathisch, Tobais Hürter, 10. April 2012, zeit.de, aufgerufen am 03.03.2023
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/03/Interview-Robert-Feldman?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

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Dies & Das Hilfe zur Selbsthilfe

Toxische Beziehungen

I‘m addicted

Let’s just say
It’s a twisted game
How we take our turns
On who’s bad each day.

Wrapped in love
Seal it with a kiss
That’s a futile love
We’d get bored of this.

I’m addicted
I know I want to stay
Stay with you desite […]“

Als ich das Lied zum ersten Mal bewusst wahrnahm, lief es in Dauerschleife bei uns zu Hause. Eine Freundin meines Sohnes hat es zusammen mit ihrem Freund produziert und singt es auch. Super schönes Lied, tolle Stimme, krasser Songtext. Meine Neugierde ist geweckt. 

 

Solche Lieder entstehen ja meist nicht einfach so. Oftmals werden Erfahrungen wieder gegeben. Also frag ich nach und bekomme bestätigt, die Dame war in einer solch toxischen Beziehung. Bislang war mir diese Begrifflichkeit eher aus meiner Ausbildung und meiner Arbeit vertraut und weniger aus dem Mund meiner Kids. Aber toxisch scheint – wenn ich mich so umhöre – eher normal zu sein, denn die Ausnahme. Was passiert da nur? Wie kann es sein, dass Beziehungen so entgleisen? Und wieso frage ich mich, hält man an solch einer Beziehung fest? Als ich im Alter meiner Kids war, hat man, wenn eine Beziehung unbefriedigend war, Schluss gemacht. Gut, vielleicht manchmal ein wenig zu voreilig, aber mit 25 zum Paartherapeuten? 

 

Ich weiß nicht.

Wann genau ist eine Beziehung toxisch?

Der Begriff „toxische Beziehung“ ist streng genommen kein wissenschaftlicher Begriff. Verwendet wird er häufig, wenn Verbindungen beschrieben werden, die mehr Kraft kosten als Kraft geben und in denen Kränkung, Kontrollsucht, Egoismus, Ignoranz und Beleidigungen eine große Rolle spielen. 

 

Studien des University College London zufolge kann eine solche destruktive Stimmung in Beziehungen langfristig auch körperlich schaden und dazu führen, dass die Beteiligten psychosomatische Beschwerden entwickeln, beispielsweise Herzprobleme. In dem Begriff toxische Beziehung schwingt also immer eine Warnung mit. Er bezeichnet Beziehungen, die man im Zweifel lieber auflöst, weil das Gegenüber einem eine giftige Liebe zukommen lässt. Die dramatische Beschreibung passt auf Beziehungen, in denen ein strafrechtlich relevantes Verhalten wie Missbrauch, Gewalt, Stalking und Betrug eine Rolle spielt. Gerät man in eine Partnerschaft, die in eine solche Richtung geht, ist es tatsächlich wichtig, sich klar abzugrenzen, sich Hilfe zu holen, sich zu trennen“. (*1)

 

Psychotherapeuten und Paartherapeuten gehen allerdings davon aus, dass in 90 Prozent aller Beziehungskrisen das Label „toxische Beziehung“ mehr Nachteile als Vorteile bietet. Es wird zu schnell be- und verurteilt. Ähnliches erleben wir mit dem Begriff Mobbing. Erst gestern erzählte mir eine Freundin, dass in der Schule bereits von Mobbing gesprochen wird, wenn beim Schulsport, in dem für Mannschaftssportarten Gruppen gebildet werden, ein Kind als letztes in die Mannschaft gewählt wird. Ich war auch nicht gerne die Letzte. Aber ist das dann gleich Mobbing? Ist es toxisch, wen ich mich in meiner Beziehung unwohl fühle und nicht alles so läuft, wie ich es mir vorstelle? Allzu häufig sind wir schnell dabei, jemanden abzustempeln und als beziehungsunfähig zu bezeichnen. Dabei kann es durchaus sein, dass die betroffene Person einfach schlecht kommuniziert, nicht gelernt hat zu streiten oder aber nicht weiß, wie sie sich wehren soll, weil womöglich ich die toxische Person bin und sie sich schweigend zurückzieht.

Normal oder toxisch?

Nun gibt es aber Dynamiken, die nachdenklich machen:

Eine Dame, mit der wir für unser Buch gesprochen haben, berichtete von ihrem fremdgehenden Ex: „Er hat mein Leben bestimmt. Er entschied, was ich zu tun und zu lassen hatte, wen ich treffen durfte und wen nicht, ob und was ich beruflich tun darf und was nicht. Wenn zu Hause Unordnung herrschte – es war eine Einkaufstüte, die noch nicht vollständig ausgepackt war – brüllte er mich an und meinte ich sei zu nichts zu gebrauchen. Nicht mal Ordnung könne ich halten. Ich bräuchte mich nicht wunder, dass er fremdgehen würde. Ich konnte ihm nichts richtig machen.“ Tränen stehen ihr in den Augen und ich sehe immer noch die Hilflosigkeit.

 

Ein anderes Beispiel: die Tochter meiner Freundin war bis über beide Ohren verliebt. Die Beiden haben jede freie Minute zusammen verbracht. Wenn sie nicht zusammen waren, haben sie telefoniert. Junge Liebe. Herrlich. In diesem Fall aber weniger herrlich. Meine Freundin machte sich Sorgen. Der junge Mann erschien ihr etwas übergriffig. Immer dann, wenn ihre Tochter eine Freundin besucht hat, telefonierte sie die meiste Zeit mit ihm. Wenn sie mit der Familie unterwegs war, hing sie ebenfalls ständig am Telefon. Darauf angesprochen, verteidigte die Tochter das Verhalten mit „er vermisst mich halt“. Manchmal muss man als Mama oder Papa in den Tisch beißen. Manchmal lohnt es sich aber auch dranzubleiben. Denn dieses Verhalten hörte auch nach der Verliebtsein-Phase nicht auf. Der Gute respektierte einfach nicht, dass die Tochter neben der Zweisamkeit auch noch andere Interessen hatte. Unglücklicherweise konnte sie sich nicht durchsetzen. Sie wusste nicht wie. Immer wenn sie ihm sagte, sie würde gerne eine Freundin besuchen oder den Tag mit der Familie verbringen, unterstellte er, sie würde ihn nicht lieben und andere vorziehen. Wie damit umgehen?

 

Und ein letztes Beispiel: ich hatte einige Freunde zu einer Party eingeladen. Zwei Stunden vor Beginn, rief mich ein völlig aufgelöster Freund an, er könne nicht kommen, da er befürchte, seine Freundin würde gerade alle geschäftlichen Mails von seinem Rechner löschen. An diesem Satz erschien mir so vieles schräg. Wieso sollte seine Freundin seine Mails löschen und wieso hat die Gute Zugriff auf diese, mal unabhängig davon, dass das datenschutzrechtlich ein Vollkatastrophe ist? Nun ja, räumt er ein, sie hätten sich gestritten. Aber deswegen löscht man keine Mails. Und nochmal, wieso hat sie Zugriff? Ich lies nicht locker. Sie sei so eifersüchtig. Um sie zu beruhigen, darf sie alles einsehen. Mails. Handy, einfach alles. Ich war sprachlos. Er gibt seine komplette Privatsphäre auf, damit sie weniger eifersüchtig ist? Laut sagte ich: „Aha“, sage ich, „und? Hilft es?“. Die Antwort kann sich jeder denken. Er kam an dem Abend nicht. Leider. Die Mails wurden gerettet. Die Krise vorerst beendet. Er hat allerdings immer noch keine Privatsphäre.

Warum trennst Du Dich nicht?

Ob die oben aufgeführten Geschichten Beispiele für toxische Beziehungen sind? Kann sein, muss aber nicht. Auf jeden Fall stimmt jede Geschichte auf ihre Art nachdenklich und man fragt sich, warum tun die betroffenen Menschen sich das an? Warum trennen sie sich nicht einfach? Gute Frage. 

 

Manchmal wiederholen mit solchem Verhalten Kindheitsmuster. Manchmal profitieren aber auch beide Parteien von dieser Form der Beziehung. Für Außenstehende ist das manchmal nicht nahvollziehbar. Aber es wäre übergriffig, sich einzumischen. Es ist nun mal die Entscheidung der beiden Parteien. Nie werde ich vergessen, wie ich eine Dame weinend im Coaching sitzen hatte. Wir sind bei ihrer beruflichen Situation gestartet und bei ihrer Figur gelandet. Sie war todunglücklich, was sie in alle Lebensbereiche übertrug. Sie erzählte mir aber auch, dass sie mit Weight Watchers bereits tolle Erfahrungen gemacht hat und sie sicher sei, dass das wieder möglich wäre. Was sie denn davon abhalte. Ihr Mann. Ich hatte viele Fragezeichen in den Augen. Völlig „un-coach-haft“ zusammen-gefasst zeichnete sie mir dann das Bild eines absoluten Machos. Er lässt sich von vorn bin hinten bedienen, trägt nichts zur Kindererziehung und noch weniger zum Haushalt bei. Ich hatte volles Mitgefühl. Umso überraschter war ich dann als ich herausfand, dass sie in der genau dieser Rolle aufgeht. Ich konnte es an ihren Augen sehen. Innerlich war ich sprachlos. Es widerspricht allem, was mir persönlich wichtig ist. Aber es ist eben mir wichtig. Nicht ihr. Solange keinem Schaden zugefügt wird und sich beide wohlfühlen in ihren Rollen, haben wir kein Recht, das zu be- oder zu verurteilen. 

 

Wir haben aber jedes Recht es in unserer Beziehung anders zu machen.

Wir können Menschen nicht verändern

Viele von uns haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie eine Beziehung sein soll. In der Verliebtseins-Phase ist das alles noch nicht so wichtig. Mit der Zeit aber verschwinden die rosaroten Wolken und unsere Bedürfnisse treten wieder in den Vordergrund. Wenn dann das große Erwachen kommt, versuchen wir alles, damit unsere Beziehung in unser Bild passt. Der Partner bzw. die Partnerin soll am besten genau das tun, was wir wollen oder brauchen. Häufig, indem wir versuchen, den anderen zu verändern. Was wir jedoch vergessen. Man kann andere nicht verändern. 

Wenn ich mich in einen geselligen Menschen verliebe und dann verlange, dass dieser bei mir zu Hause bleibt, weil mir Zweisamkeit wichtig ist, wird das vermutlich in einer Enttäuschung enden. Oder um ein eigenes Beispiel anzuführen: ich habe meinen Mann im Rahmen eines Auftrags auf einem Schiff kennengelernt. Er war quasi mein Ansprechpartner seitens des Kunden. Liebe gehörte nicht zum Auftrag. Die erwischte und einfach so. Worüber wir jedoch überhaupt nicht nachgedacht haben. Er arbeitet 24 Stunden, 7 Tage die Woche und das vier Monate am Stück. Er ist dann einfach mal weg. Jetzt könnte ich ihm ans Herz legen, sich einen Job an Land zu suchen. Ich könnte es etwas subtiler ganz im Sinne von Watzlawick formulieren: „Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du dir einen Job an Land suchen.“ Wenn ich ihn wirklich liebe, lasse ich ihn da, wo er ist Er liebt seinen Job. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Was aber, wenn es nicht auszuhalten. Wenn vier Monate allein einfach zu lang sind. Doch auf Veränderung drängen?

Akzeptieren ist auch eine Form loszulassen

Das Zauberwort heißt Akzeptanz. Zum Beispiel zu akzeptieren, dass eine bestimmte Sache, die mir wichtig ist, sich nicht ändern wird. Gelingt mir das, bin ich meist nicht mehr angriffslustig, sondern eher traurig. Traurig, weil ich etwas loslassen muss. In meinem Fall wäre zu akzeptieren, dass ich vier Monate auf mich gestellt bin. Wenn ich dazu „ja“ sage und es akzeptiere, dann können wir schauen, wie wir diese vier Monate gut überbrücken. Ich würde ihm aber nicht ständig in den Ohren liegen wie ätzend es ist, dass er nicht da sein kann. Wenn ich „nein“ dazu sage, muss ich unsere Beziehung und damit ihn loslassen. Das Gute daran ist, es ist ein neuer Status erreicht, in dem manchmal etwas Gutes und Neues entsteht.

 

Zurück zu den toxischen Beziehungen. Wann weiß ich, dass ich in einer toxischen Beziehung stecke oder gar selbst toxisch bin? Natürlich gibt es Hinweise, das zu erkennen. Das Internet ist voll von Merkmalen. Da ist die Rede von „doppelten Botschaften“, „Love-Bombing“, „Mikrogewalt“, „übermässige Kontrolle“, „Gaslighting“ oder auch „Schweigen“ um nur einige zu nennen. Alles Verhaltensweisen, die auf die ein oder andere Weise manipulieren.

 

Was tun. Nun ja. Der erste Schritt ist immer miteinander sprechen. Wichtig dabei ist: es geht nicht um Recht haben und überzeugen. Es geht um miteinander reden und deutlich machen, was konkret stört und welche Verhaltensveränderung erwartet wird. Bevor man jemanden also gleich als toxisch abstempelt: reden hilft. 

 

Und wenn Reden nicht (mehr) hilft: Geh! Es ist deine Entscheidung.

(*1) Psychologie heute Compact, Schwierige Beziehungen, Artikel: „Es ist kompliziert“, Anne Otto, Seite 16, Beltz 2021, Heft 67

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Im Podcast mit Personality Talks

Es ist passiert - wir legen die Masken ab

Vor Herausgabe unseres Buches haben wir lange überlegt, ob wir unter Pseudonymen veröffentlichen sollen. Keine leichte Entscheidung, schließlich sind nicht nur wir, sondern auch unsere Partner, Kinder und all die anderen Frauen, mit denen wir zu unserem Thema gesprochen hatten, betroffen.

 

Das Feedback, das wir seit Erscheinen des Buches erhalten hat uns jedoch bestärkt, mit dem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen. Von „Ihr sprecht mir aus dem Herzen“ über „Das Buch bringt mein Gefühlschaos wirklich auf den Punkt“ bis hin zu „Das Buch ist für meine Beziehung hilfreich, obwohl wir so eine Situation bisher nicht erlebt haben.“ haben wir soooo tolle Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern bekommen.

 

Mit unserem „Coming out“ wollen wir signalisieren, dass es keinen Grund gibt, sich für irgendetwas zu schämen. Auch wenn Social Media uns glauben lassen will, das Leben sei nur unbeschwert, glamourös und voller emotionaler Höhepunkte – Krisen, Beziehungsstress und Herausforderungen gibt es im Leben der meisten Menschen. Und hinter den schönsten Gardinen lauern bekanntlich die dicksten Tränen!

Wir wünschen uns, dass wieder mehr über echtes und normales Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, gesprochen wird. Es ist eben nicht immer alles toll. Und das ist auch gut so, denn es sind vor allem die schwierigen Zeiten, in denen wir persönlich wachsen.

Unser erster öffentlicher Auftritt: Personality Talks

So haben wir uns Ende Dezember 2022 ins Abenteuer unseres ersten Podcasts zum Thema gestürzt und hatten wahnsinnig viel Freude dabei.

Danke an das Team von PersonalityMag – Simone und Sabine haben es uns wirklich leicht gemacht!

 

Die Podcast-Folge von PersonalityTalk könnt Ihr Euch hier auf Spotify anhören: 

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Ich will ihn zurück haben

Ich will ihn wieder haben

„Wie geht es eigentlich deiner Schwester?“, frage ich eine meiner Motorradmädels. „Gut“, meint sie. Das ist doch prima, denke ich und bin etwas überrascht. Das ging ja schnell. Die Schwester wurde von ihrem Mann betrogen. Mein letzer Stand war, dass der Gute ausziehen wollte und sich das Ganze ganz schön in die Länge zog. Folglich, so vermute ich, hat er es jetzt endlich geschafft, sich zu verdünnisieren und die Schwester lebt ihr Leben. Sicherheitshalber frage ich aber nach. Berufskrankheit. „Ne, ausgezogen ist er nicht“, meint sie. „Aha?! Aber es geht ihr gut?“ „Nun, sie hat ein Ziel.“. Cool denke ich und frage nach dem Ziel. „Sie will ihn wieder haben“. What???? Ich gucke sie mit offenem Mund an und bin sprachlos. „Sie will ihn wiederhaben? Das ist jetzt ihr Ziel?“ „Jepp“, sagt sie und ich sacke leicht in mich zusammen.

Vorsicht vor unseriösen Ratgebern

Das Internet ist voll von guten Ratschlägen, wie man seinen Ex-Partner oder seine Ex-Partnerin zurückgewinnt. Besonders schön finde ich „12 unschlagbare Tricks“ oder „30 unglaublich wirkungsvolle Tipps“ oder „10 einfache Ex-zurück-Tipps“. Gute Güte. Und besonders wertvoll: „Der große Ex-Zurück Vergleich 2022“. Dort wird versprochen, dass bei Einhaltung der Strategie die Chance, den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin zurückzugewinnen bei 95% liegt. Wir verzichten an dieser Stelle auf Links zu verweisen, weil wir das Ganze einfach unfassbar unseriös finden.

Was tun, wenn einer a will und der andere aber b?

Wie haben festgestellt, dass manche Frauen recht einfallsreich werden, wenn es darum geht, ihren Fremdgänger zurückzugewinnen. Da gibt es die, die ihren Kerl mit Nachrichten, Anrufen und Mails bombardieren, um ihn zu überzeugen, dass er gerade einen Riesenfehler macht, die Trulla null zu ihm passt und er geradewegs ins Verderben rennt. Oder die besagte Schwester, die ihren Mann mit Argumenten zu überreden versucht, ihr doch eine zweite Chance einzuräumen und ihn mit ihren Liebesbekundungen überhäuft. Eifersüchtig machen ist auch gerne gesehen. Wie Du mir, so ich Dir und schwupp wird der Nächstbeste flachgelegt, in der Hoffnung, dass der Fremdgänger eifersüchtig wird, erkennt, was ihm entgeht und umgehend wieder auf der Matte steht. Eine weitere Strategie: akzeptieren, abwarten und genau in dem Moment für den Ex da sein, wenn die rosarote Brille ihre Farbe verliert und die Einsicht kommt, dass das alles ein riesiger Fehler war. Wir würden nichts davon empfehlen.

Die Krux am Zurückgewinnen ist: dazu gehören immer zwei.

Der eine, der zurückgewinnen will und der andere, der zurückgewonnen werden soll. Für mich war ab dem Zeitpunkt das Thema „zurückgewinnen“ gegessen, als ich ihn fragte, was ich meinen Eltern erzählen soll. Als er sagte, dass die Trennung nicht „auf Zeit“ sondern „ganz“ sei, habe ich entschieden, dass es dann Zeit für ihn wäre,das Haus zu verlassen. Ganz. Für mich war klar, er hat diese Entscheidung getroffen, ich werde damit leben müssen. Ganz. So muss sich ein Hase vorkommen, wenn er des Nachts einen LKW direkt auf sich zufahren sieht und unfähig ist, weg zu hoppeln. Der Geist ist stark, aber der Körper verweigert jede Aktion. 

 

Aus dieser Quasi-Lähmung bin ich erst aufgewacht, als mich jemand fragte, ob ich ihn überhaupt zurückhaben will. In meiner Schockstarre hatte ich eher darüber nachgedacht, was passieren muss, damit er zurückkommt. Dass ich im driver seat saß, war mir gar nicht bewusst? Aber das ist es. Wenn der erste Schock erstmal verdaut ist, dann gilt es zu prüfen, was man selbst eigentlich will. Eine Möglichkeit könnte in der Tat sein, dass man das Zusammenkommen mit dem Fremdgänger wieder in Betracht zieht. Aber das ist eben nur eine Möglichkeit von vielen anderen.

Hoffe nicht, dann hat das Schicksal keine Macht über dich.

Das Interessante daran ist, dass das Umfeld sich sehr dafür zu interessieren scheint, ob man den Fremdgeher zurücknehmen würde, wenn dieser zur Einsicht käme. Wollen sie dich leiden sehen, denken sie vielleicht laut, wie sie selbst damit umgehen würden oder einfach nur sichergehen, dass der Täter seine gerechte Strafe erhält? Ich habe es einfach nicht verstanden. Irgendwann hat  mich diese Frage nur noch genervt. Sie war einfach nicht relevant. Er hatte sich entschieden. Die Dinge waren geklärt. Warum also sollte ich auch nur einen Gedanken an „Was wäre wenn” verschwenden? Damit lasse ich doch nur zu, dass es mir noch mehr weh tut. Aber das Wichtigste war, es konnte nichts Neues entstehen. Dabei fällt mir wieder Charifis Zitat ein “Hoffe nicht, dann hat das Schicksal keine Macht über dich.”

„Ich will ihn zurückhaben“ ist kein Ziel, das ich allein erreichen kann

Für uns, die wir im Coaching mit Zielen arbeiten, müssen Ziele in erster Linie SMART sein. Von SMARTen Zielen haben vermutlich die meisten schon gehört. Was aber noch viel wichtiger ist. Die Ziele sollen so formuliert sein, dass ich sie unabhängig von anderen Menschen oder äußeren Umständen erreichen kann. „Ich will ihn wiederhaben“, ist also kein Ziel, wie wir es formulieren würden. Wenn der Typ nicht mitspielt, spielt er nicht mit. Wir können den Ex ja nicht zwingen, wieder mit uns zusammen zu sein. Mein Coach würde fragen, ob der Mann nein sagen darf. So ärgerlich das ist, er darf. Damit ist das Ziel „ich will ihn wiederhaben“ für mich allein nicht erreichbar. Wie also umformulieren? Dafür gibt es leider keine allgemeingültige Antwort. Die gilt es zu erarbeiten. Ich habe einige Wochen darüber gebrütet. Aber es hat sich gelohnt. Am Ende wusste ich, was mir wichtig ist und was ich wollte. 

 

Häufig erleben wir in den Gesprächen mit Frauen, die „ganz frisch betrogen wurden“, dass sie das Ganze nicht wahrhaben wollen. Dass doch alles gut war. Und es soll doch bitte alles wieder so werden wie es war. Soll es das? Anne hatte damals eine coole Idee. Sie wollte verstehen, ob ihre Ehe wirklich so glücklich war und hat das Ganze mal analysiert. Mit Block und Stift bewaffnet hat sie ihre persönliche Ehe-Reise aufgezeichnet. Die horizontale Achse symbolisierte die Zeit, seit der sie ihre Ehe führte, die vertikale Achse stand für ihr Glücklichsein. Wichtige Ereignisse, wie die Geburt der Kinder oder den Tod eines Elternteils, Jobwechsel, Umzüge trug sie dann entsprechend ein und verband die Ereignisse. Es war ein auf und ab und sie erkannte ein Muster. 

 

Vielleicht probierst du das auch einfach mal aus. Wie glücklich war/ist deine Beziehung? Und würdest du sie genauso wieder haben wollen oder müsste sie anders sein? Über solche „Übungen“ kommst du deinem Ziel näher. 

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Warum hast du das gemacht?

Kürzlich haben Anne und ich ein Führungskräfteseminar begleitet. Es ging unter anderem darum, welche Fragen in einem Mitarbeitergespräch sinnvoll und hilfreich sind. Es entbrandete eine Diskussion um die Frage „Warum?“. Für systemische Coaches wie wir sie sind, ist die Frage nach dem „Warum?“ rückwärtsgerichtet, problemorientiert und wenig hilfreich, um lösungsorientiert zu arbeiten. Das mag zwar logisch klingen, hat unsere Teilnehmer:innen aber null überzeugt. Und während wir der Diskussion interessiert lauschten, mussten wir beide schmunzeln. Hat uns die Frage nach dem „Warum?“ bis heute nicht so ganz losgelassen. Warum hat er das gemacht?

 

„Warum?“ ist weltweit in jeder Kultur die am meisten gestellte Frage

Wusstet ihr, dass diese Frage „Warum?“ weltweit in jeder Kultur die am meisten gestellte Frage ist? Warum? Vermutlich weil Kinder die besten Warumfrager überhaupt sind. Als meine Tochter klein war, fragte sie beispielsweise, warum ich mich morgens schminke. Ich mache das wirklich jeden Morgen, egal ob ich etwas vorhabe oder nicht. Ich erklärte ihr, dass das zu meinen Gewohnheiten gehört. Wenn ich aufstehe, richte ich mich für den Tag. Warum? Nun ja, weil ich mich dann nicht in aller Eile fertig machen muss, sollte jemand kommen oder ich wegmüssen. Warum? Weil ich mich besser fühle und mich hübsch finde. Warum? Irgendwann ging mir dann die Puste aus …. Ja, warum eigentlich? Hm …

Warum? Warum? Warum? In einer Zeit, in der Zeit gefühlt knapp ist, kann diese Fragerei echt anstrengend sein, gerade wenn Kinder scheinbar sinnloses fragen. Mein Ansinnen war und ist, wer fragt, bekommt eine Antwort. Und obwohl wir Erwachsenen mit dem Beantworten von Fragen zum Held der „Kleinen“ werden könnten, machen sich nur wenige diese Mühe. Mein Aha-Erlebnis hatte ich, als die Tochter eines Freundes mir Löcher in den Bauch fragte, ich brav antwortete und sie mir dann die Frage stellte, warum ich denn all diese Fragen beantworte. Häh? Etwas irritiert sagte ich ihr dann, dass sie auf Fragen selbstverständlich auch Antworten bekommt. Dafür stellt man Fragen. Aha, meinte sie dann nachdenklich. Offensichtlich war ihr das neu und ich eine Ausnahme.

 

Wie sinnvoll ist die Frage nach dem WARUM?

Wie sinnvoll ist die Frage nach der Ursache, dem Grund, dem Zweck oder dem Motiv. Im Prinzip ist die Frage die Basis für all das, was danach geschieht. Das Warum führt uns zum Verstehen und Begreifen von Zusammenhängen. Erst wenn wir die Zusammenhänge verstehen, sind wir Teil dessen, was gerade passiert oder passiert ist. Dann ist es uns auch möglich, Teil der Ursache zu „werden“ und Probleme zu lösen oder unseren Beitrag nach den eigenen Wertvorstellungen zu leisten.

Im Allgemeinen führt das „interessierte Entdecken“ von Wissen zu immer mehr Fragen, mit dem Ziel ein vollständiges Bild der Situation zu entwickeln. Je klarer das Bild, desto zukunftssichere fühlen wir uns. Manche zumindest. Ich erinnere mich mit Grauen an meine erste ISO 9001-Zertifizierung. Nach dem 10. „Warum“ klebte ich unter der Decke und die Zertifizierungs-Dame war sichtlich genervt, ob meiner wenig unterstützenden Haltung. 

 

Mit warum kann ich einfach nicht (mehr) umgehen

Mit warum kann ich einfach nicht (mehr) umgehen. Trotzdem stellte auch ich diese Frage als mein Mann mir eröffnete, dass er seit vier Jahren eine Affäre hatte. Warum hast du das getan? Warum sprichst du nicht mit mir? Warum? Warum, ist die Banane krumm? Ein Achselzucken war damals die Antwort. Keine Ahnung. Er kann es sich bis heute nur bedingt erklären.

Wenn wir unseren Partner:in verstehen wollen, dann hilft es, wenn wir sein/ihr Verhalten nicht be- oder verurteilen, sondern uns einfach nur fragen, warum er/sie das tut? Wir nehmen dadurch innerlich Abstand und betrachten sie auf einer sachlichen Ebene. Nicht ganz leicht. Ich habe noch Niemanden getroffen, der Fremdgehen unemotional betrachtet. Dennoch. Wenn wir uns auf einen imaginären Regiestuhl setzen und zu verstehen versuchen, warum die Tat stattfindet; und warum sie diese Wirkung auf uns hat, kommen wir eher zu einer Antwort, als wenn wir warum, warum fragen. Im Buch hatten wir die Frage nach „Was sagt dir deine Angst?“ und „Was sagt dir deine Wut“ gestellt. Im Allgemeinen ist es also ratsam, die eigenen Wünsche und Ziele zu hinterfragen. Also das Warum, das Wozu und Wofür. Was ist mein Grund, was ist mein Ziel, was ist der Zweck – und stimmt das Ganze mit meinen inneren Wertvorstellungen überein, um dann Schlüsse zu ziehen.

 

Stelle nur Fragen, auf die du auch bereit bist, die Antwort zu hören

Nicht immer muss man das Warum kennen. Meist resultiert aus einer einfachen Frage die nächste Warum-Frage – ein schier endloser Vorgang mit Höhen und Tiefen. Und Hand aufs Herz. Wollen wir wirklich im Detail wissen, warum der Kerl fremdgegangen ist? In unserer Arbeit betonen wir gerne: „Stelle nur Fragen, auf die du auch bereit bist, die Antwort zu hören?“ und „Überlege dir gut, was du mit der Antwort machst?“

 

Ergo: Frage weise!

 

 

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Ich brauche einen neuen Kopf. Der alte denkt zu viel.

Mein Mann und ich sind glücklich. Es läuft besser denn je. Irgendwie scheint seine wahnwitzige Aktion des Fremdgehens auch seine guten Seiten zu haben. Doch es gibt eben auch die andere Seite der Medaille. Und die wird mir bewusst, als ich „Your Song“ von Elton John höre. Ich gehöre ja zu den Menschen, die nicht nur die Melodie in sich aufnehmen, sondern auch den Text, was manchmal echt nervig ist. Was da ab und an für ein Schwachsinn verzapft wird. Unglaublich. Aber ich schweife ab. Ich höre „How wonderful life is while
you’re in the world“ und merke, wie ich traurig werde. Dieser Satz würde so nicht mehr über die Lippen komme. Warum eigentlich nicht?

Er war mein ein und alles

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich zur Arbeit fuhr, in Gedanken bei der Liebe meines Lebens. Dieses wohlige Gefühl werde ich nie vergessen. Es war wundervoll. In diesen Augenblicken fühlte mich ihm ganz nah. Auch nach all den Jahren noch, die wir schon zusammen waren. Ich war glücklich, dass es diesen wundervollen Menschen in meinem Leben gab und ich war stolz, dass wir zusammengehörten. Für mich war er mein ein und alles. Und jetzt? Ja wie erkläre ich das? Im Jetzt ist alles gut. Ich bin glücklich. Genieße. Freue mich. Aber alles, was VOR dieser unsäglichen Zeit stattfand, stelle ich in Frage. Als wäre das, was wir hatten eine einzige Lüge gewesen. Denn wenn es echt gewesen wäre, wäre er nicht fremdgegangen. Ist doch so, oder etwas nicht?

 

Als ein sehr guter Freund meines Mannes mich bei einem Abendessen daran erinnerte, wie begeistert mein Mann von mir ist, wie sehr er von mir schwärmt und wie toll er mich immer noch findet, erwische ich mich, wie ich abwinke. Ich kann diese Begeisterung nicht wertschätzen. Und ärgere mich darüber. Es fällt mir schwer über meinen Schatten zu springen und ich bedaure so sehr, dass ich es aktuell nicht schaffe, von ganzem Herzen zu lieben. Es schien alles so unbeschwert, so leicht. Und jetzt? Alles weg. Verloren. Verborgen hinter Bildern von Frauen, die er in mein Leben gedrängt hat. Frauen, die ich nicht kenne und auch nicht kennen möchte. Es fühlt sich an, als würde unsere Liebe ohne Fundament sein. Ich liebe ihn. Ohne Zweifel. Aber nicht mehr wie früher. Ist das gut? Oder schlecht? Oder einfach nur anders? So ein Supergau geht einfach nicht spurlos vorüber. Und ich bin echt schlecht im Verdrängen. In meinem früheren Leben muss ich ein Elefant gewesen sein. Mist!

Täglich grüßt das Murmeltier

Mein Coach würde sagen, ich drehe eine Ehrenrunde. Vermutlich denke ich zu viel. Während Männer angeblich zu viel schweigen, denken Frauen zu viel. Laut der Psychologin Susan Nolen-Hoeksema [1] tappen Frauen tatsächlich öfter in die Grübelfalle, während Männer eher Antriebslosigkeit oder Versagensängste plagen. Sie verweist dabei auch auf Geschlechterunterschiede in der Hirnaktivität, wonach Männer bei Entscheidungen vor allem das rechte Stirnhirn, das auch an der emotionalen Kontrolle beteiligt ist, aktivieren und bei Frauen sich vermehrt die linke (sprachbegabte) Hemisphäre regt. Überspitzt gesagt: Männer wollen Probleme wegdrücken, Frauen darüber reden. Nolen-Hoeksema betont aber auch, dass diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen keineswegs biologisch bedingt sind, dennoch klingt es irgendwie vertraut. Spannend ist, dass sie drei Formen des weiblichen Grübelns unterscheidet: übertreibendes, chaotisches und sich selbst verstärkendes. Während die erste Form eine einfach Überbetonung eines Ereignisses ist, werden bei der zweiten Form Dinge verquickt, die nichts miteinander zu tun haben. Mir kommen da gleich Zahnpastatuben und vergessene Jahrestage in den Sinn. Bei der dritten Form versteifen sich die Betroffenen auf bestimmte, vermeintlich unbezweifelbare Annahmen, unter denen sie dann leiden. Die klassische Selbstabwertung, wie wir sie im Coaching bezeichnen würden. Darin erkenne ich mich wieder. Ich versinke mal wieder in Selbstmitleid und frage mich warum? Aber nicht „Warum hast du das gemacht?“, sondern „Warum passiert gerade mir das?“, „Womit habe ich das verdient?“. Ich drehe mich im Kreis und fühle mich wie in „Täglich grüßt das Murmeltier“.

Ich gönne mir eine Ehrenrunde!

Es kotzt mich an, dass mein Mann so ein Arsch war. Ich bin traurig, dass es nicht mehr so unbeschwert ist, wie es mal war. Es nervt mich, dass ich immer wieder an diese blöden Weiber denke. Sollte ich es halten wie diese Carina in „Ich schenke dir die Hölle auf Erden“? Ne, das bin ich nicht. Und es hilft ja nichts. Ich liebe ihn. Trotzdem. Also, Augen zu und durch und dem Gehirn eine Pause gönnen. Sehen wir es doch mal so. Ich habe mich entschieden bei ihm zu bleiben. Was ich mir aber ab und zu gönne ist eine Ehrenrunde.

[1] vgl. Locker Lassen, Stev Ayan, Klett-Cotta, 2016
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It’s ok to be sad after making the right decision

Hab Verständnis für dein HERZ,

wenn es länger braucht,

etwas zu akzeptieren,

was dein Verstand schon lange weiß.

(M. Charifi)

Das Buch ist fertig. „Und?“, fragen uns Freunde, „Wie fühlt sich das an?“ „Großartig“. Da sind wir uns einig. Fast zwei Jahre hat uns dieses Projekt begleitet. Es war eine Zeit voller Hochs und Tiefs. Beide waren wir froh, als wir die Druckunterlagen freigegeben haben. Wir wollten endlich mit diesem leidigen Thema „Fremdgehen“ abschließen. Gestern hatten wir dann das Buch druckfrisch in der Hand. Mein größter Alptraum war ja, ich schlage das Buch auf und sehe auf Anhieb einen Fehler. Glücklicherweise war dem aber nicht so. Vermutlich sind welche drin, denke ich mir, da auch 100maliges Lesen nicht garantiert, dass es fehlerfrei ist. Aber scheiss drauf. Wir finden, da ist uns was ganz Besonderes gelungen und sind beide mega stolz.


Freude und Traurigkeit liegen manchmal ganz nah beieinander

Jetzt sitzen wir beim Italiener und wollen eigentlich feiern. Aber Anne starrt gedankenverloren ins Nichts. Eine Träne läuft ihr über die Wange. Es macht mich traurig sie so zu sehen, weil ich mir gut vorstellen kann, was in ihr vorgeht. Sie dreht gerade eine Ehrenrunde. Auslöser war ein einziger Satz. „Wir hätten nicht so schnell wieder zum Alltag übergehen sollen und uns mehr auf die Kinder konzentrieren sollen,“ sagte ihr Mann. Und da flippte sie aus. Weil sie genau das immer macht. Sich um alles kümmern und ganz besonders um die Kinder. Das kann man von ihm nicht sagen. War er doch derjenige, der von heute auf morgen sie und die Kinder für eine andere Frau verlassen hat. Sie sah rot. Ich bin mir sicher, dass er das irgendwie anders gemeint hat. Aber das konnte sie nicht erkennen. Trigger ist Trigger. Ich sehe die Traurigkeit. Aber auch die Wut. „Es ist so unfair“, sagt sie. Ja, das ist es. Aber nicht zu ändern.


Wir reden. Wir sind füreinander da.

Wir reden. Mal wieder. Es wird nicht das Letzte mal sein. Wir sind füreinander da. Fremdgehen macht einfach unfassbar viel kaputt. Es ist nicht wieder gut zu machen. Wir fragen uns, ob wir je wieder Leichtigkeit in der Beziehung erleben werden. Ob wir je wieder so vertrauen, wie wir es vor der Katastrophe getan haben. Vermutlich nicht. Beide starren wir dann noch ein wenig ins Nichts, jede in ihrer eigenen Gedankenwelt gefangen. Dann schauen wir uns an, atmen tief durch, zucken mit den Achseln und grinsen, weil wir beide morgen einen Workshop haben auf den wir uns unbändig freuen. Und dann schaffen wir es endlich unser Buch zu feiern. Es ist so cool geworden.

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Hilfe! Ich schaff das nicht!

Ich dachte, das wird ein lustiger Mädelsnachmittag. Falsch gedacht. Eine der Mädels hatte ein Häufchen Elend dabei. Die große Schwester. Frisch verlassen. Nach 26 Jahren Ehe hatte der Göttergatte entschieden, sich eine andere zu nehmen.

„Wie lange geht das schon?“, fragen die Mädels. „Seit Anfang des Jahres“, schnüffelt sie. Sie wird mit Fragen bombardiert und schafft es sich zu beruhigen, während sie erzählt. Ich höre nur zu und beobachte. Täglich grüßt das Murmeltier denke ich. Jede Geschichte ist irgendwie gleich und doch anders. Ich kann den Schmerz so gut verstehen. Der Körper erinnert sich. Ich erinnere mich.

Sie hat das Buch schon gelesen, sagen die Mädels und schauen mich erwartungsvoll an. Das ist schön denke ich, bringt nur nichts. Wenn es so einfach wäre, hätten wir wohl schon längst einen Nobelpreis verdient.

 

Sie hat noch nicht akzeptiert, dass das alte Leben vorbei ist. 

Ich betrachte diese Frau und sehe ihre Traurigkeit. Ich sehe aber auch ihre Hilflosigkeit. Sie ist noch nicht soweit, mit dem Buch etwas anfangen zu können. Sie hat noch nicht akzeptiert, dass das alte Leben vorbei ist. Noch klammert sie. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ich bin hin und her gerissen, ob ich etwas sagen soll. Im Prinzip geht mich das nichts an. Ich habe keinen Auftrag. Zudem habe ich frei. Es ist Sonntag. Mich ärgern aber die wenig hilfreichen Kommentare der anwesenden Gäste. Egal ob männlich oder weiblich. Die Ärmste wird beschwatzt wir ein sturer Esel, der nicht laufen will. Sie nickt, sie weint und was mich innerlich ausflippen lässt, sie wird durch die Angriffe auf ihren Mann eingeladen, ihn zu verteidigen. Sie liebt ihn. Immer noch. Trotzdem. Sie will ihn wieder haben. Und erhält 1.000 Tipps, was sie tun und lassen soll. Ich könnte schreien.

 

Einfach nur da sein ist manchmal besser als jeder Rat

„Wir müssen zusammenhalten,“ sagen die Mädels. Ja, das müssen wir. Aber nicht in dieser Sache. Wir haben keine Ahnung, was da bei den beiden los ist. Und wir werden es vermutlich auch nie in Gänze verstehen. Müssen wir auch nicht. Große Augen schauen mich an. Ich habe das laut gesagt. Mist. Also erkläre ich mich und frage, ob ihnen aufgefallen ist, dass die Dame ihren Mann verteidigt hat. Dass sie im Moment alles tut, um ihn zurück zu bekommen. Dass sie noch nicht akzeptiert hat, dass ihre Ehe erstmal zu Ende ist. Alles was sie an gut gemeinten Ratschläge bekommt, fällt nicht auf fruchtbaren Boden. Es ist zu früh. Was sie braucht, ist eine Schulter zum Ausweinen. Vielleicht Ablenkung. Vielleicht Trost. Vielleicht aber auch Ruhe und Alleinsein. Wir drängen uns immer gerne auf und wollen helfen. Das ist zwar ein wunderbarer Ansatz, manch einem will aber nicht geholfen werden. Insofern wäre es besser zu fragen, was man denn für die tun kann. Ob sie reden will? Oder lieber einfach nur dabei sein? Betroffen blicken mich die Mädels an. Und jetzt? Und jetzt sage ich, fahren wir nach Hause. Ich zumindest. Es ist spät und kalt und im Dunkeln fahre ich nicht so gerne Motorrad. Also machen wir uns auf den Weg.


Ein Schritt nach dem anderen

Bevor wir fahren, frage ich die Dame noch, ob sie jemanden hat, mit dem sie reden kann. „Ja, viele Freunde“. „Ne, das meinte ich nicht“, sage ich ihr. Ob sie einen Coach oder Therapeuten hat. Hat sie. Das ist gut. Freunde sind wichtig. Aber meist sind sie nicht die richtigen Ansprechpartner für diese Themen. Zu nah dran. Zu parteiisch. Was es jetzt braucht, ist jemand, der ihr hilft, sich selbst zu entdecken. Herauszufinden, wer sie ist und was sie will. „Ich will ihn zurück“, sagt sie. Das verstehe ich so gut. Sie beschreibt, was sie alles macht, um ihn zurückzubekommen. „Und?“, frage ich, „was sagt er dazu?“. „Es nervt ihn“, ist die Antwort. „Also ist dieser Weg nicht so erfolgreich?“ „Nein, ist er nicht“, weint sie. „Dann schau doch mal auf dich. Was dir wichtig ist und was dich ausmacht“, sage ich behutsam und dann brechen die Dämme. „Ich schaffe das nicht!“, schluchzt sie.  Ich versuche zu verstehen, was sie mir sagen will und ahne was es ist. Sie war immer für ihn und die Familie da, hat alles gemacht, sich aufgeopfert. Ich sehe ihren Schmerz und hab Tränen in den Augen. Vor mir tut sich ihr Weg auf. Er ist so weit. Aber sie wird ihn gehen. Einen Schritt nach dem anderen.manc

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Mit oder ohne Kondom?

Mal angenommen euer Partner wäre fremdgegangen, könntet ihr das eher verzeihen, wenn er/sie dabei mit Kondom verhütet hat, um sicherzugehen dass wirklich nichts passiert? [1]

 

Hand aufs Herz. Wann habt ihr die Frage gestellt, ob er beim Fremdgehen wenigstens ein Kondom verwendet hat? Ich meine jetzt nicht in Gedanken sondern laut ausgesprochen. Ich muss gestehen, es war nicht die erste Frage, die mir über die Lippen kam. Ich ging einfach davon aus, dass er eins benutzt hat. Sich und die Trulla aber und vor allem mich geschützt hat. Ganz schön naiv.

 

Nur 11% der Frauen bestehen auf ein Kondom

Eine Studie der Dating-Plattform Victoria Milan, eine Seite für Verheiratete oder Vergebene Frauen und Männer, die eine Affäre suchen, fand nämlich heraus, dass immer mehr Menschen bei einem Seitensprung auf das Kondom verzichten[2]. Unvorstellbar, aber wahr. In der Studie wurden weltweit 12.000 Männer aus insgesamt 21 Ländern befragt, ob die Frauen, mit denen sie eine Affäre eingehen, auf ein Kondom bestehen. Wir wundern uns etwas, warum man diese Frage so stellt und nicht anders, aber wir haben die Fragen ja nicht formuliert. Interessant ist, dass laut Studie lediglich 11% der Frauen auf ein Kondom bestehen. 11%. Das heißt, der größte Teil poppt ohne. Wahnsinn. Es geht dabei ja nicht nur um das Risiko sich eine Geschlechtskrankheit wie z.B. Tripper, Chlamydien oder sogar HIV einzufangen, es geht auch um Verhütung. Als wir für unser Buch mit betroffenen Frauen gesprochen haben, war auch die ein oder andere dabei, deren Mann die Geliebte geschwängert hat. Fremdvögeln ist schon ein Unding. Ungeschützt vögeln, wenn man in einer festen Beziehung ist, toppt das Ganze. Aus Versehen Kinder zu zeugen, mit einer Frau, mit der man nicht leben will, macht mich sprachlos.

Ich kann mich gut an Situationen erinnern, in denen ich den Herrn meines Herzens in der ersten Phase des Verliebtseins daran erinnern musste, ein Kondom zu nutzen. Ausreden wie „Du verhütest doch“, „Ich pass schon auf“ oder „Ich bin gesund“, waren am Anfang noch witzig, aber im Ernst, warum muss ich als Frau daran erinnern? Warum ist das nicht selbstverständlich? Gesundheit und Verhütung geht doch beide an.

 

Der Gedanke, dass er ohne Kondom fremdgegangen ist und danach mit mir Sex hatte, ekelte mich an. 

 Die oben stehende Frage hat mich beschäftigt. Der Gedanke, dass er ohne Kondom fremdgegangen ist und danach mit mir Sex hatte, ekelte mich an. Zum einen, weil er mich mit allen möglichen Krankheiten hätte anstecken können und zum andern, weil ich den Gedanken daran einfach widerlich fand. „Würde ich fremdgehen eher verzeihen, wenn er ein Kondom benutzt?“ Nein. Sicher nicht. Es gäbe dafür nicht einmal mildernde Umstände. In einer festen Beziehung möchte ich nicht ständig darüber nachdenken müssen, ob ich zur Sicherheit doch ein Kondom nutzen sollte.

 

Ich habe lange gebraucht, meinem Mann die Frage nach dem Kondom zu stellen. Ich weiß nicht, warum ich sie so lange vor mir herschob? Ob es Scham war, in diese intimen Sphären einzutauchen oder Angst vor der Antwort, die mich hat zögern lassen. Vielleicht war es aber auch einfach nur meine Ausbildung. Was mache ich mit der Antwort auf die Frage? Ändert die Antwort etwas? Was wenn er mir verkündet, dass er mit der Frau ungeschützten Sex hatte, weil sie eine Latex-Allergie hat oder weil sie es im Eifer des Gefechts einfach vergessen haben, ein Kondom zu nutzen oder weil es sich ohne Gummi einfach besser anfühlt? Was wenn er einmal mehr die Achsel zuckt? Mache ich dann doch Schluss? Schreie ich ihn an? Weine ich leise vor mich hin? Ziehe ich mich enttäuscht zurück?

Am Ende bringt mir die Antwort nicht wirklich etwas. Und trotzdem will ich es wissen. Ich will wenigstens in diesem Fall das Bild meines Mannes, das selbstverständlich aus meinem Farbkasten ist, bestätigt sehen. Nach all der Enttäuschung suche ich nach den Überresten seiner Wertewelt. Bitte lass ihn wenigstens Kondome genutzt haben. Also frage ich und erlebe, wie es mich etwas beruhigt, als er sagte, dass das ja wohl eine Selbstverständlichkeit sei. Abgefahren 😊