Warum hast du das gemacht?

Kürzlich haben Anne und ich ein Führungskräfteseminar begleitet. Es ging unter anderem darum, welche Fragen in einem Mitarbeitergespräch sinnvoll und hilfreich sind. Es entbrandete eine Diskussion um die Frage „Warum?“. Für systemische Coaches wie wir sie sind, ist die Frage nach dem „Warum?“ rückwärtsgerichtet, problemorientiert und wenig hilfreich, um lösungsorientiert zu arbeiten. Das mag zwar logisch klingen, hat unsere Teilnehmer:innen aber null überzeugt. Und während wir der Diskussion interessiert lauschten, mussten wir beide schmunzeln. Hat uns die Frage nach dem „Warum?“ bis heute nicht so ganz losgelassen. Warum hat er das gemacht?

 

„Warum?“ ist weltweit in jeder Kultur die am meisten gestellte Frage

Wusstet ihr, dass diese Frage „Warum?“ weltweit in jeder Kultur die am meisten gestellte Frage ist? Warum? Vermutlich weil Kinder die besten Warumfrager überhaupt sind. Als meine Tochter klein war, fragte sie beispielsweise, warum ich mich morgens schminke. Ich mache das wirklich jeden Morgen, egal ob ich etwas vorhabe oder nicht. Ich erklärte ihr, dass das zu meinen Gewohnheiten gehört. Wenn ich aufstehe, richte ich mich für den Tag. Warum? Nun ja, weil ich mich dann nicht in aller Eile fertig machen muss, sollte jemand kommen oder ich wegmüssen. Warum? Weil ich mich besser fühle und mich hübsch finde. Warum? Irgendwann ging mir dann die Puste aus …. Ja, warum eigentlich? Hm …

Warum? Warum? Warum? In einer Zeit, in der Zeit gefühlt knapp ist, kann diese Fragerei echt anstrengend sein, gerade wenn Kinder scheinbar sinnloses fragen. Mein Ansinnen war und ist, wer fragt, bekommt eine Antwort. Und obwohl wir Erwachsenen mit dem Beantworten von Fragen zum Held der „Kleinen“ werden könnten, machen sich nur wenige diese Mühe. Mein Aha-Erlebnis hatte ich, als die Tochter eines Freundes mir Löcher in den Bauch fragte, ich brav antwortete und sie mir dann die Frage stellte, warum ich denn all diese Fragen beantworte. Häh? Etwas irritiert sagte ich ihr dann, dass sie auf Fragen selbstverständlich auch Antworten bekommt. Dafür stellt man Fragen. Aha, meinte sie dann nachdenklich. Offensichtlich war ihr das neu und ich eine Ausnahme.

 

Wie sinnvoll ist die Frage nach dem WARUM?

Wie sinnvoll ist die Frage nach der Ursache, dem Grund, dem Zweck oder dem Motiv. Im Prinzip ist die Frage die Basis für all das, was danach geschieht. Das Warum führt uns zum Verstehen und Begreifen von Zusammenhängen. Erst wenn wir die Zusammenhänge verstehen, sind wir Teil dessen, was gerade passiert oder passiert ist. Dann ist es uns auch möglich, Teil der Ursache zu „werden“ und Probleme zu lösen oder unseren Beitrag nach den eigenen Wertvorstellungen zu leisten.

Im Allgemeinen führt das „interessierte Entdecken“ von Wissen zu immer mehr Fragen, mit dem Ziel ein vollständiges Bild der Situation zu entwickeln. Je klarer das Bild, desto zukunftssichere fühlen wir uns. Manche zumindest. Ich erinnere mich mit Grauen an meine erste ISO 9001-Zertifizierung. Nach dem 10. „Warum“ klebte ich unter der Decke und die Zertifizierungs-Dame war sichtlich genervt, ob meiner wenig unterstützenden Haltung. 

 

Mit warum kann ich einfach nicht (mehr) umgehen

Mit warum kann ich einfach nicht (mehr) umgehen. Trotzdem stellte auch ich diese Frage als mein Mann mir eröffnete, dass er seit vier Jahren eine Affäre hatte. Warum hast du das getan? Warum sprichst du nicht mit mir? Warum? Warum, ist die Banane krumm? Ein Achselzucken war damals die Antwort. Keine Ahnung. Er kann es sich bis heute nur bedingt erklären.

Wenn wir unseren Partner:in verstehen wollen, dann hilft es, wenn wir sein/ihr Verhalten nicht be- oder verurteilen, sondern uns einfach nur fragen, warum er/sie das tut? Wir nehmen dadurch innerlich Abstand und betrachten sie auf einer sachlichen Ebene. Nicht ganz leicht. Ich habe noch Niemanden getroffen, der Fremdgehen unemotional betrachtet. Dennoch. Wenn wir uns auf einen imaginären Regiestuhl setzen und zu verstehen versuchen, warum die Tat stattfindet; und warum sie diese Wirkung auf uns hat, kommen wir eher zu einer Antwort, als wenn wir warum, warum fragen. Im Buch hatten wir die Frage nach „Was sagt dir deine Angst?“ und „Was sagt dir deine Wut“ gestellt. Im Allgemeinen ist es also ratsam, die eigenen Wünsche und Ziele zu hinterfragen. Also das Warum, das Wozu und Wofür. Was ist mein Grund, was ist mein Ziel, was ist der Zweck – und stimmt das Ganze mit meinen inneren Wertvorstellungen überein, um dann Schlüsse zu ziehen.

 

Stelle nur Fragen, auf die du auch bereit bist, die Antwort zu hören

Nicht immer muss man das Warum kennen. Meist resultiert aus einer einfachen Frage die nächste Warum-Frage – ein schier endloser Vorgang mit Höhen und Tiefen. Und Hand aufs Herz. Wollen wir wirklich im Detail wissen, warum der Kerl fremdgegangen ist? In unserer Arbeit betonen wir gerne: „Stelle nur Fragen, auf die du auch bereit bist, die Antwort zu hören?“ und „Überlege dir gut, was du mit der Antwort machst?“

 

Ergo: Frage weise!

 

 

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